Mit Sicherheit durch das Corona-Semester.
Bayerns Studierendenvertretungen fordern Sofort-Maßnahmen für ein digitales und planungssicheres Sommersemester 2021
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Ausgestaltung des Sommersemesters 2021
Beschluss der Landes-ASten-Konferenz Bayern vom 14. März 2021
Das Sommersemester 2021 ist nunmehr das dritte Hochschulsemester, dass vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie stattfindet und durch diese maßgeblich beeinflusst wird. Wie bereits in den beiden vorherigen Semestern [1] [2] zeigt die LAK Bayern als Zusammenschluss aller bayerischen Studierendenvertretungen mit diesem Beschluss die wichtigsten Forderungen und Anliegen der Studierenden zur Ausgestaltung des Sommersemesters auf und entwirft eine mögliche Öffnungsperspektive für die Hochschulen.
Aktuelle soziale und finanzielle Lage von Studierenden
Die Ausweitung des Artikels 99 des Bayerischen Hochschulgesetzes auf das kommende Sommersemester ist eine sehr wichtige und vorausschauende Entscheidung für alle Studierenden in Bayern. Hierdurch wird, wie auch schon in den beiden Semestern zuvor, die individuelle Regelstudienzeit verlängert, das Semester in Bezug auf Prüfungsfristen nicht als reguläres Fachsemester gewertet und somit auf die besonderen Härten der Corona-Pandemie reagiert. Diese Regelungen erhöhen die Planbarkeit des Semesters und stellen den BAföG-Bezug für die bayerischen Studierenden sicher. Die Verlängerung der individuellen Regelstudienzeit soll an allen Hochschulen auf den Immatrikulationsbescheinigungen und Abschlussdokumenten explizit ausgewiesen werden.
Auch die Verlängerung der Überbrückungshilfen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) für Studierende bis September 2021 war ein notwendiger Schritt zur Abfederung von besonderen finanziellen Notsituationen. Abseits der rein zeitlichen Verlängerung der Hilfen verweigert sich das BMBF jedoch weiterhin einer strukturellen Überarbeitung der Studierendenhilfen, die grundsätzlichen Kritikpunkte bleiben somit bestehen. Die Chance, wie vom Deutschen Studentenwerk und Studierendenvertretungen bundesweit gefordert, das BAföG als wirksames Hilfsinstrument in Krisenzeiten für alle Studierenden zu öffnen, bleibt ungenutzt. Die LAK Bayern kritisiert mit Nachdruck, dass das aktuelle Beantragungsverfahren zu bürokratisch und kompliziert, sowie die Auszahlungsgrenze von 500 Euro pro Monat realitätsfern und die Bewilligungsquote zu gering ist. Diese Kritik wurde in mehreren Pressemitteilungen zusammen mit anderen Landesstudierendenvertretungen geäußert und wird bundesweit von Studierendenverbänden geteilt [3].

Neben der finanziell angespannten Lage zeigt sich mittlerweile zudem, dass die Pandemie an den Studierenden auch hinsichtlich ihrer psychischen Gesundheit nicht spurlos vorbeigegangen ist. Eine Studie von JugendforscherInnen der Universitäten Hildesheim und Frankfurt hat ermittelt, dass in der Altersgruppe zwischen 15 und 30 Jahren eine Mehrheit der Befragten Angst vor der Zukunft hat und mehr als ein Drittel von Einsamkeit betroffen ist [4]. Die Auswirkungen davon können beispielsweise Depressionen oder emotionaler Stress sein. Auch sind die Kapazitäten der psychosozialen Beratungsangebote der Studierendenwerke, die bereits vor der Pandemie nicht ausreichend finanziert wurden, mittlerweile mehr als ausgeschöpft [5].
Die besonderen Lebensumstände von Studierenden müssen den EntscheidungsträgerInnen an den Hochschulen, in den Ministerien und in der Politik bewusst sein und endlich stärker beachtet werden.
Digitales Semester mit Präsenzelementen und Schutzmöglichkeiten

Zeitgleich zum Start der Vorlesungen an den bayerischen Hochschulen befindet sich Deutschland bereits in der dritten Pandemiewelle. Die Ausbreitung der Virusmutationen führt regional zu höchst dynamischen Infektionsgeschehen, erschwert die generelle Planungssicherheit und macht eine einheitliche Öffnungsstrategie fast unmöglich. Zudem wird die flächendeckende Impfung von Studierenden, die größtenteils der Altersgruppe der 18- bis 25-Jährigen angehören, voraussichtlich erst im Herbst 2021 erfolgen können. All diese und viele weitere Faktoren zeigen, dass trotz der zahlreichen Wünsche nach mehr Normalität an den Hochschulen uns ein weiteres digitales Semester bevorsteht.
Die psychische und physische Gesundheit aller Studierenden und Hochschulangehörigen muss an erster Stelle stellen. Um darüber hinaus eine gute Balance aus Planungssicherheit und Normalisierung des Hochschulbetriebs zu erreichen, schlagen die bayerischen Studierendenvertretungen folgendes Vorgehen vor:
Das Sommersemester 2021 muss an allen Hochschulen in Bayern vollständig digital studierbar sein. Dies betrifft alle Lehrveranstaltungen mit Ausnahme von praktischen Lehrveranstaltungen, welche aufgrund ihrer spezifischen Art der Kompetenzvermittlung nur in Präsenz stattfinden können – so u.a. Laborpraktika, Freilandpraktika oder künstlerische sowie musische Tätigkeiten. Weiterhin müssen Hochschulen berücksichtigen, dass sich die Durchführung von externen verpflichtenden Praktika pandemiebedingt schwierig gestaltet und entsprechende Alternativen anbieten. Alle weiteren Lehrveranstaltungen, wie Vorlesungen, Seminare oder seminaristischer Unterricht, werden digital angeboten. Insofern es das lokale Infektionsgeschehen an der Hochschule erlaubt, sollen die digitalen Lehrveranstaltungen für einzelne Studiengruppen auch durch Präsenzelemente ergänzt werden können. Studierende sollen die Wahlfreiheit erhalten, sich für eine Studiengruppe mit oder ohne Präsenzelemente zu entscheiden. Zur besseren Planbarkeit sollen die Studierenden möglichst frühzeitig über die in ihrem Studium angebotenen Wahlmöglichkeiten informiert und ihre Teilnahmepräferenz abgefragt werden. Falls eine Veranstaltung im Semesterverlauf in die Präsenz wechselt, muss die digitale Studierbarkeit weiterhin sichergestellt sein. Die Lehre im Hörsaal muss also datenschutzkonform und didaktisch sinnvoll aufbereitet auch asynchron zur Verfügung gestellt werden, damit beide Zielgruppen in ihrem Studium voranschreiten können. Außerdem profitieren Studierende von der Möglichkeit guter asynchroner Lehrformate auch außerhalb von Pandemiezeiten, da sich durch diese das Studium besser mit Erwerbstätigkeiten und Familie vereinbaren lassen.

Im Sinne der Studierbarkeit müssen Präsenzveranstaltungen unter Einhaltung eines hochschulweit einheitlichen Hygienekonzepts und der Berücksichtigung von Covid-19-Schnelltests sowie einer allgemeinen Maskenpflicht angeboten werden. Wir sehen die Hochschulen in der Pflicht für all ihre Mitglieder, seien es Dozierende oder Studierende, im Sommersemester Masken sowie Schnelltests kostenfrei bereitzustellen, um auch in Präsenzveranstaltungen ein höchstmögliches Schutzniveau zu gewährleisten. Entstehende Mehrkosten für diese Maßnahmen müssen im Landeshaushalt des Freistaats für die Hochschulen eingestellt werden.
Das Credo lautet also: das Semester muss digital studierbar sein, Präsenztermine sind möglich, müssen aber durch entsprechende Hygiene- und Schutzmaßnahmen abgesichert werden.

Frühzeitige Planung von kontaktlosen Prüfungen
Für eine gerechte und vorausschauende Planung der Prüfungsphase im Sommersemester 2021 müssen bereits jetzt die Weichen für einen intelligenten Prüfungsmix gestellt werden. Im Vordergrund müssen weiterhin kontaktlose Prüfungen stehen, von einer reinen Planung der Klausurenphase mit Präsenzprüfungen raten wir ausdrücklich ab. Weder die aktuelle Infektionslage noch die Erkenntnisse aus den vergangenen beiden Semestern lassen verlässliche Rückschlüsse zu, ab wann Prüfungen wieder im Normalbetrieb durchführbar sind. Um dennoch eine verlässliche Prüfungsphase durchführen zu können, müssen alle Möglichkeiten der Prüfungsplanung ausgeschöpft werden. So können Prüfungen als Hausarbeiten, Portfolioprüfungen, Open-Book-Klausuren sowie mündliche Prüfungen oder Referate über Videokonferenztools als auch andere elektronische Fernprüfungen ausgestaltet werden.
Um sowohl den Studierenden als auch Dozierenden die nötige Planungssicherheit zu gewährleisten, muss frühzeitig bekannt gegeben werden, welche Prüfungsformen durchgeführt werden können. Hierzu sind die Hochschulen aufgefordert, die notwendigen rechtlichen Kompetenzen zur Festlegung von flexiblen Prüfungsformen an die Fakultäten zur eigenständigen Regelung zu übertragen. Nur so kann die Lehre und insbesondere auch die Art der Lehrvermittlung auf die geplanten Prüfungsformen ausgerichtet werden. Damit die Studierbarkeit des Sommersemesters trotz Pandemie gewährleistet bleibt, müssen sich alle Studierenden bis spätestens zur Prüfungsanmeldung entscheiden dürfen, ob sie an einer Prüfung in Präsenz oder einer Fernprüfungsalternative teilnehmen. Sollten Präsenzprüfungen ohne ein kontaktloses Alternativangebot durchgeführt werden, müssen Schnelltests und Masken gestellt und die Kosten wie bei Lehrveranstaltungen ebenfalls aus staatlichen Mitteln finanziert werden.

Während die Nichtanrechnung des Sommersemesters 2021 als Fachsemester und die damit einhergehende Verlängerung festgelegter Regeltermine und Fristen für viele Studierende bereits wesentliche prüfungsrechtliche Nachteile reguliert, besteht in unseren Augen in Bezug auf die Anzahl der Prüfungsversuche weiterhin landesweiter Handlungsbedarf. Insbesondere an den Hochschulen für angewandte Wissenschaften und einigen Universitäten besteht eine feste Anzahl an Prüfungsversuchen, deren Überschreitung zur Exmatrikulation führt. Es ist aus unserer Sicht essentiell, dass die Hochschulen wie bereits zu Beginn der Pandemie im Sommersemester die Anzahl der Prüfungsversuche erhöhen, damit den Studierenden durch die Prüfungsphase unter Corona keine Nachteile entstehen.
Die LAK Bayern fordert alle Hochschulen dazu auf, bereits zu Beginn des Sommersemesters einen klaren Fahrplan für die Prüfungen auszuarbeiten, eine möglichst hohe Bandbreite an kontaktlosen Prüfungsformen und eine Erhöhung der Anzahl von Prüfungswiederholungen zuzulassen sowie die Prüfungsmodalitäten frühzeitig an die Studierenden zu kommunizieren.

Verbesserung der Qualität des digitalen Studiums
Die digitale Transformation des Bildungswesens schreitet stetig voran und ist spätestens seit der Corona-Pandemie zur Daueraufgabe geworden. Wie die LAK Bayern bereits im Positionspapier „Digitale und moderne Hochschulen“ vom 19. Mai 2019 betonte, sind die bayerischen Hochschulen nur unzureichend auf die Digitalisierung von Lehre und Forschung vorbereitet. Die Coronakrise der letzten zwei Semester hat bestehende Probleme noch weiter verschärft. Auch wenn einige Prozesse, insbesondere in der Verwaltung und Governance, aufgrund der externen Umstände digitalisiert wurden, so fehlt es den bayerischen Hochschulen weiterhin an einer ganzheitlichen und nachhaltigen Digitalisierungsstrategie. Insbesondere haben die digitale Lehre und digitale Prüfungen aufgrund der schnellen Umstürze in der Coronakrise in vielen Fällen an Qualität verloren.
Um eine adäquate digitale Lehre gewährleisten zu können, müssen allen Dozierenden und TutorInnen kostenlose Schulungen sowie semesterbegleitende Angebote zur Unterstützung der digitalen Lehre zur Verfügung gestellt werden. ExpertInnen und als E-Scouts geschulte studentische Hilfskräfte sollen gezielt dafür eingestellt werden, um Kursen eine sinnvolle Umstellung auf gute Lehrdidaktik – z.B. durch die Erstellung von Zusatz- oder Flipped-Classroom-Material – auf den Lernplattformen zu ermöglichen. Wir möchten an dieser Stelle betonen, dass diese Forderung keine Kritik am Engagement der Dozierenden während der Corona-Pandemie, die sich mit teils großem persönlichen Einsatz um die digitale Bereitstellung ihrer Lehre verdient gemacht haben, darstellt, sondern vielmehr auf die mangelhaften strukturellen Gegebenheiten, unter denen die Lehre stattfindet, hinweist.

Dank diverser neuer didaktischer Methoden lassen sich veraltete Lehrkonzepte durch zeitgemäßere hybride oder digitale Methoden ergänzen. Dies gilt auch für kontaktlose Prüfungsformen, die durch digitale Möglichkeiten didaktisch-innovativ und kompetenzorientierter gestaltet werden können. Die LAK Bayern fordert daher den Ausbau und die Finanzierung hochschuldidaktischer Einrichtungen, um ebensolche Angebote hochschulübergreifend bereitstellen zu können. Auch bedarf es kontinuierlicher Begleitevaluationen der digitalen Lehre, um Best-Practice-Beispiele zu identifizieren und die Lehrlernforschung voranzutreiben. Evaluationen mit Verweis auf die Sondersituation der Pandemie auszusetzen ist nicht tolerierbar, denn wir sind davon überzeugt, dass gerade der Ausnahmecharakter der Lehrsituation viele Erkenntnisse enthält, die für eine stetige Weiterentwicklung der Lehrqualität nutzbar gemacht werden müssen.
Die Hochschulen müssen die Digitalisierung als Querschnittsaufgabe verstehen und ihre Potenziale insbesondere für eine dauerhafte Weiterentwicklung der Lehre nutzbar machen, hierfür braucht es eine angemessene hochschuldidaktische Förderung der Dozierenden.

Einbindung in Krisen- und Planungsstäben
In den vergangenen beiden Semestern haben die Hochschulen eigene Krisen- und Planungsstäbe zur Bewältigung der Pandemie eingerichtet oder bereits bestehende Gremien mit dieser Aufgabe betraut. Viele Hochschulen haben dort auch VertreterInnen der Studierenden aufgenommen, was wir ausdrücklich begrüßen. Nachdem in diesen Gremien Entscheidungen mit großer Tragweite in Bezug auf die Lehre getroffen werden, ist es notwendig, dass die Studierenden direkt ihre Ansichten einbringen können. Diese Beteiligung weitet zudem den Blickwinkel des Gremiums und führt perspektivisch zu ausgewogeneren Entscheidungen. An den Hochschulen, die frühzeitig die Studierendenvertretungen in diese Fragestellungen eingebunden haben, erleben wir eine transparentere Kommunikation der dort getroffenen Entscheidungen in die Studierendenschaft und eine gemeinsame Verantwortungsübernahme.
Wir fordern daher erneut alle Hochschulleitungen auf, dort, wo es noch nicht geschehen ist, StudierendenvertreterInnen in die Krisen- und Planungsstäbe aufzunehmen, um so die Kommunikation in Richtung der Studierenden zu stärken.
Ausblick

Die vergangenen zwei Pandemiesemester konnten von der Hochschullandschaft insgesamt betrachtet gut gemeistert werden. Das kommende Sommersemester benötigt nun nochmal eine gemeinsame Kraftanstrengung aller Hochschulangehörigen, um diese außergewöhnliche Situation erneut zu bestreiten. Ergänzend zu den landesweiten Regelungen sind auch die Hochschulen gefordert größtmögliche Kulanz zu gewähren, um die pandemiebedingten Folgen für ihre Studierenden abzuwenden. Zusammenfassend ist aus unserer Sicht für ein Gelingen des Sommersemesters 2021 die digitale Studierbarkeit, die Planungssicherheit sowie Kontaktreduzierung bei Prüfungen, sowie eine stärkere Beachtung studentischer Interessen in der Politik auf allen Ebenen nötig. Wir hoffen, dass das Wintersemester 2021/22 wieder gemeinsame Diskussionen im Hörsaal zulassen wird und die Studierenden ihre Hochschulen erneut als Ort der Begegnung erleben können.
Referenzen
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